Begründung meiner Kriegsdienstverweigerung
Ich habe mich entschieden, mein Grundrecht, den Kriegsdienst gemäß Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes aus Gewissensgründen zu verweigern, in Anspruch zu nehmen. Im folgenden möchte ich Ihnen die Gründe erläutern, die mich zu dieser Entscheidung bewogen.
Seit ich denken kann, spielt Gewalt in meinem Leben keinerlei Rolle als Mittel zur Konfliktlösung oder bei Streitereien. Meine Eltern lehrten meine Geschwister und mich, Probleme – derer es unter drei Geschwistern gewiß nicht wenige gab – durch Kompromisse und Diskussionen gemeinsam zu lösen. Gleichzeitig versuchten wir auch, Probleme am besten von vornherein durch überlegtes und faires Handeln zu vermeiden. Meine Eltern gingen uns darin immer als gute Vorbilder voran.
Als ich älter wurde, fand ich heraus, daß meine Vorstellung vom Umgang mit Menschen im christlichen Glauben ein gutes Zuhause finden würde und so ging ich immer gerne zu Gottesdiensten und zu gemeindlichen Veranstaltungen und bildete mir mit der Zeit Grundsätze zum Umgang zwischen Menschen. Dazu gehören die Unterstützung Hilfsbedürftiger und Schwacher, aber vor allem auch Nachsicht gegenüber jenen, die ich nicht mag oder die mich nicht mögen, in der Hoffnung, Versöhnung zu erreichen. Wann immer möglich, versuche ich, an mich gewandte Bitten zu erfüllen.
Bei den Pfadfindern lernte ich zunächst, mich in eine Gruppe einzugliedern. In unserer Pfadfindersippe hatten wir sehr viele Freiheiten und ich lernte deshalb, selber zu überlegen, was gut und was vielleicht schlecht für mich und für andere sein würde. Als Sippenführer mußte ich lernen, auch für andere die Verantwortung zu übernehmen und Streit zwischen meinen Sipplingen zu schlichten. Gerade als Sippenführer habe ich eine enorme Vorbildfunktion für meine Sipplinge und muß besonders darauf achten, die aufgestellten Regeln zu beachten.
Meiner Meinung nach ist Gewalt zwischen Menschen falsch und Gewalt zwischen Staaten genauso. Krieg bedeutet auf der einen Seite riesiges Leid für Soldaten und Zivilbevölkerung. Vielmehr noch aber wird durch Kriege Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung durch die Gesellschaft legitimiert und Gewalt in die Gesellschaft getragen. Dadurch kann, wenn schon nicht der Krieg, so aber die Gewalt zwischen den Menschen nach dem Krieg nie ein Ende nehmen.
Meine Möglichkeiten zur Vermeidung von Krieg und Gewalt sind leider recht bescheiden, doch ist es mir wichtig, sie wann immer es geht, voll auszuschöpfen. Deshalb verweigere ich den Kriegsdienst mit der Waffe, um damit immerhin ein Zeichen für den Frieden und die Freundschaft zu setzen.
Ein weiterer Grund für meinen Widerstand gegen den Kriegsdienst ist mein vielfältiger Kontakt, den ich mit Freunden in aller Welt schon lange pflege. Zunächst ist dort meine Brieffreundschaft mit meinem Freund Vladimir zu nennen: Wir schreiben uns monatlich und haben uns intensiv über Unterschiede zwischen unseren Kulturen und vorherrschenden Ideologien ausgetauscht.
Insbesondere bei meinem einjährigen Aufenthalt in den USA lernte ich aber, daß trotz aller Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern die eigentlichen Sorgen und Probleme, die Freuden und die Interessen der einzelnen Menschen doch dieselben sind. Im Gespräch mit anderen Austauschschülern aus diversen Ländern erfuhr ich, daß sie genauso dächten. Deshalb bin ich der Überzeugung, daß die Menschen überall auf der Welt, sosehr sich ihre Kulturen unterscheiden mögen, doch eigentlich alle gleich sind.
Wie könnte ich also im Krieg auf einen Menschen, der mir gegenüber steht, schießen? Wüßte ich doch, daß er in dem selben Augenblick meine Ängste und Befürchtungen, meine Wut auf die Machthaber, die mich und ihn in diesen Krieg schickten, teilt! Dieser ‚feindliche’ Soldat könnte niemals mein Feind sein, er wäre sofort ein Freund und nur das System zwänge uns, uns gegenseitig auszulöschen. Dazu bin ich nicht im Stande.
Gleichzeitig sehe ich jedoch, daß es mir sehr viel besser geht als vielen anderen Menschen in der Welt und auch vor meiner Haustür. Und so sehe ich ein, daß ich bei all den Zuwendungen, Unterstützungen und Vorteilen, die ich dadurch habe, in das richtige Haus im richtigen Staat geboren worden zu sein, auch Pflichten zu übernehmen habe. Ich würde mich deshalb freuen, meine Pflichten im Bereich des Zivildienstes zu erfüllen, für den ich mich besser geeignet halte und den ich für sehr viel sinnvoller halte als den Wehrdienst.
Timo Baumann